Pressemitteilung der Anwälte

Am 28.Januar 2016 wurde der erste Teil einer persönlichen Erklärung Latifes verlesen, in der sie ihren Werdegang und ihr Leben als Kind und Jugendliche in der Türkei schilderte, das von staatlicher Gewalt und Verfolgungen geprägt war – u.a. durch die Militärputsche der Jahre 1971 und 1980.

Nach Latifes Erklärung beantragten ihre Verteidiger – Roland Meister und Yener Sözen – die Einstellung, bzw. die Aussetzung des Verfahrens. Dabei verwiesen sie in eindringlichen Worten auf die aktuelle repressive Entwicklung in der Türkei und den immer schlimmeren Krieg des türkischen Militärs gegen die kurdische Zivilbevölkerung. In der Begründung beschuldigten sie das Bundesjustizministerium der „Unterstützung eines terroristischen Regimes“, wenn die Ermächtigung zur Strafverfolgung nicht zurückgenommen werde.

Wir dokumentieren die Pressemitteilung der Verteidigung im Wortlaut:

Pressemitteilung der Verteidigung zum Verfahren gegen Latife Cenan-Adigüzel vor dem OLG Düsseldorf – Gelsenkirchen, Remscheid, Wuppertal, 1.2.2016

Antrag auf Einstellung des Verfahrens am 28.1.2016

Anlässlich des inzwischen 23. Verhandlungstags im Verfahren gegen unsere Mandantin Latife Cenan-Adigüzel vor dem 5. Senat (dem so genannten Staatsschutzsenat) des Oberlandesgerichts Düsseldorf möchten wir uns als ihre Anwälte mit einer Erklärung an die Öffentlichkeit wenden.

Am Donnerstag, den 28.1.2016, haben wir die Einstellung, bzw. eine Aussetzung des laufenden Verfahrens gegen Latife Cenan-Adigüzel gefordert.

In Kürze zum Hintergrund des Verfahrens:

Unserer Mandantin wird durch die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf die Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung – gemeint ist die in der Türkei aktive DHKP-C – nach §129b StGB vorgeworfen. Die Inhaftierung unserer nicht vorbestraften Mandantin erfolgte während einer bundesweiten Aktion der Bundesanwaltschaft im Juni 2013. Seit August 2013 befindet sich Latife Cenan-Adigüzel wieder auf freiem Fuß, seit dem 18. Juni 2015 wird vor dem OLG Düsseldorf gegen sie verhandelt.

In sieben Monaten Prozessdauer konnte die Generalstaatsanwaltschaft bislang keinen Beleg für die durch sie behauptete Mitgliedschaft unserer Mandantin in der DHKP-C erbringen. Dies, obwohl unserer Mandantin eine beinahe lückenlose Überwachung im Zuge der Ermittlungen zuteil wurde. So wurde monatelang ihre Telekommunikation überwacht und mithilfe eines Peilsenders am PKW ein minutiöses Bewegungsprofil angefertigt. Nach den im bisherigen Prozessverlauf durch die Staatsanwaltschaft eingebrachten Beweise hat keine dieser Maßnahmen zu verwertbaren Erkenntnissen hinsichtlich des behaupteten Vorwurfs geführt.

Der zutage tretende Verfolgungswillen gegenüber unserer Mandantin, einer zweifachen Mutter die seit 34 Jahren in Deutschland lebt und in Wuppertal einen Laden für Presseerzeugnisse und Tabakwaren betreibt sowie behinderte Menschen betreut, ist der Ausdruck des politischen Willens der Bundesregierung zu einer unkritischen Kooperation deutscher und türkischer Polizeibehörden und Geheimdienste. Das Verfahren gegen Latife Cenan-Adigüzel ist nur deshalb möglich, weil durch das Bundesministerium für Justiz (BMJ) eine entsprechende Ermächtigung erteilt wurde. Demnach sind die vorgeworfenen Delikte der Unterstützung, bzw. der Mitgliedschaft in der als terroristische Vereinigung eingestuften DHKP-C in Deutschland zu verfolgen.

Eine seit Jahrzehnten skandalöse Praxis

Wie unsere Mandantin im Rahmen einer am 23. Verhandlungstag abgegebenen Erklärung zu ihrem eigenen Werdegang deutlich machte, ist ihre eigene, wie auch die gesamte türkische Geschichte der letzten Jahrzehnte eine Abfolge menschenrechtswidriger Verfolgungen, Pogrome und eines Staates, der vor der vielfachen Ermordung seiner Gegner und Gegnerinnen nicht zurückschreckt. Auch die alevitisch-kurdische Familie unserer Mandantin hatte in der blutigen Geschichte der Türkei Opfer zu beklagen, etwa ihren Urgroßvater, der 1938 bei einem Massaker an alevitischen Geistlichen bei lebendigem Leib verbrannt wurde. Wie das Beispiel zeigt, reicht die blutige Verfolgungsgeschichte in der Türkei weit zurück. Im Gedächtnis unserer im Dorf Bargini in Dersim geborenen Mandantin hinterließ sie tiefe Spuren aus ihrer Kindheit, die in die Zeit der Putschregimes von 1971 und 1980 fiel.

Vor dem Hintergrund dieser Historie ist die Zusammenarbeit deutscher Behörden und deutscher Justiz mit einem Staat, der für Massaker und tausendfachen Mord verantwortlich ist, seit jeher skandalös. Angesichts der aktuellen, sich immer weiter verschärfenden Situation in der Türkei ist sie für uns nun nicht länger hinnehmbar. Wir haben am 28.1.2016 deshalb die Aussetzung, bzw. die Einstellung des Verfahrens gegen Latife Cenan-Adigüzel beantragt.

Die vorliegende Ermächtigung des Bundesjustizministeriums ist nichtig

Wir halten die vorliegende Ermächtigung für nichtig. Das Bundesministerium für Justiz ist einseitig den Ausführungen des türkischen Staates und der Bundesanwaltschaft gefolgt, als es seinerzeit die Ermächtigung erteilte. Menschenrechtliche und völkerrechtliche Aspekte blieben unberücksichtigt. Nach unserer Ansicht ist das Verfahren gegen unsere Mandantin einzustellen. Wir sehen einen Mangel an der Verfahrensvoraussetzung, da es demnach an einer entsprechenden Ermächtigung zur Strafverfolgung durch das Bundesministerium für Justiz mangelt.

Selbst wenn davon ausgegangen wird, dass die vorliegende Ermächtigung zum Zeitpunkt ihrer Erteilung noch nicht nichtig gewesen ist, so ist das wegen der aktuellen Entwicklungen in der Türkei inzwischen zweifellos der Fall. Das Justizministerium ist verpflichtet, diese Ermächtigung zurückzunehmen, denn sie lässt andauernde Gewaltakte gegen Opposition, kritische Journalisten und Minderheiten – insbesondere die kurdische Bevölkerung in der Türkei außer Acht. Besonders erwähnen möchten wir in diesem Zusammenhang die systematische Verfolgung gewählter Politiker und Politikerinnen sowie von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten.

Morde auf offener Straße, Krieg gegen die Zivilbevölkerung

So wurde Tahir Elçi, Vorsitzender der Rechtsanwaltskammer von Diyarbakir, am Vormittag des 28.11.2015 auf offener Straße erschossen. Viele der Umstände des Mordes deuten auf eine (Mit-) Täterschaft des türkischen Staates hin, der zuvor eine Kampagne gegen den Anwalt geführt hatte, weil sich Elçi vor seiner Ermordung bei einer politischen Sendung des TV-Senders CNN-Türk öffentlich für ein Ende der Militäroperationen und gegen die Einstufung der PKK als Terrororganisation ausgesprochen hatte.

Was in deutschen Medien zum Teil als «Bürgerkrieg im Südosten der Türkei» dargestellt wird, ist in Wahrheit ein Angriff des türkischen Militärs auf die kurdische Zivilbevölkerung mit allen Mitteln. Städte werden mit schweren Kriegswaffen belagert, zum Teil wird mit Geschützen auf Wohnviertel gefeuert, systematisch wird versucht, Ortschaften von der Wasser- und Stromversorgung abzuschneiden. Über mehr als 17 Ortschaften wurde zwischenzeitlich eine totale Ausgangssperre verhängt.

Wenn unsere Mandantin in ihrer Erklärung davon spricht, dass während der von ihr als Kind erlebten Ausgangsperren nach dem Putsch 1971 «die Straßen voll mit bewaffneten Soldaten» waren, und es in der «kurzen Zeit, in der wir ausgehen durften, so gut wie nichts zu kaufen gab», schildert Latife Cenan-Adigüzel Situationen, an die sie sich auch heute noch ganz genau erinnert. Wenn unsere Mandantin sagt «Ich habe und werde diese angstvollen Hungertage nie vergessen», dann beschreibt sie ein schreckliches Deja Vu für die heute dort unter den Ausgangssperren hungernden und leidenden Menschen.

Unterstützung eines terroristischen Regimes

Die Dimension der Menschenrechtsverletzungen in der Türkei kann inzwischen nur noch als staatsterroristisch qualifiziert werden. Eine Aufrechterhaltung der Ermächtigung zur Strafverfolgung stellt somit objektiv die Unterstützung eines terroristischen Regimes durch das Bundesjustizministerium dar. Wir sehen die Menschenrechtsverletzungen und die Kriegsverbrechen des türkischen Regimes durch Urteile europäischer und deutscher Gerichte sowie durch Berichte von Amnesty International und anderer Experten als hinreichend belegt an.

Durch die Ermächtigung zur Strafverfolgung durch das Bundesministerium für Justiz werden rechtsstaatliche Grundsätz ignoriert. Die erteilte Ermächtigung wird als Mittel der Instrumentalisierung der Strafjustiz genutzt, um die strafrechtliche Verfolgung strategischen und außenpolitischen Interessen der Regierung zu unterstellen. Auf dieser Grundlage werden in Deutschland lebende Menschen, denen nichts als eine kritische Haltung zur türkischen Regierung vorgeworfen werden kann, aus Gründen der Staatsraison geopfert.

Der Krieg gegen die kurdische Zivilbevölkerung und die Verfolgung kritischer Menschen in der Türkei, die auf einer täglich länger werdenden Liste so genannter Terroristen landen – Journalistinnen und Juristen, Politiker und Politikerinnen, Gewerkschafter oder Frauenrechtsaktivistinnen und zuletzt auch Akademiker und Akademikerinnen, die sich für Frieden ausgesprochen haben – erfährt durch die in Deutschland auf Grundlage der Strafverfolgungsermächtigung durchgeführten Strafverfahren eine Fortsetzung im Interesse deutsch-türkischer Beziehungen und einer restriktiven europäischen Flüchtlingspolitik.

Wir fordern vor diesem Hintergrund zumindest die Aussetzung des Verfahrens gegen unsere Mandantin und das Gericht dazu auf, sich von Amts wegen an das Bundesministerium für Justiz zu wenden, damit dieses aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Türkei die bestehende Ermächtigung überprüft. Wir erwarten dazu eine Entscheidung des Senats an einem der nächsten Prozesstage.

Rechtsanwalt Roland Meister, Gelsenkirchen und Rechtsanwalt Yener Sözen, Remscheid

Das Leben zurückholen!

Beim so_ko_wpt ist kurz vor der zweiten Erklärung Latifes am 28.1. ein Artikel zum Prozess erschienen, den wir hier gerne dokumentieren.

Das eigene politische Leben zurückholen!

Unsere Freundin Latife steht seit inzwi­schen sieben Monaten als Angeklagte in einem öffentlich kaum beach­teten Terrorismusprozess vor Gericht und ein Ende des skanda­lösen Verfahrens ist noch nicht absehbar. Am Donnerstag, den 28.1. wird sie nun eine umfang­reiche Erklärung zur Anklage und zur Beweisaufnahme abgeben – quasi als eine Zwischenbilanz. Der persön­lichen Erklärung vor dem OLG Düsseldorf ist eine inter­es­siertere Öffent­lichkeit zu wünschen.

Wir fassen den bishe­rigen Verlauf des Verfahrens gegen unsere Genossin aus diesem Grund hier nochmal zusammen:

Am 18.Juni des letzten Jahres begann vor dem OLG in Düsseldorf ein Verfahren gegen unsere Freundin Latife. Die Generalstaatsanwaltschaft beschul­digte sie, Mitglied in der DHKP-C zu sein, einer seit vielen Jahren in der Türkei gegen den Staat kämpfenden, militanten marxistisch-leninistischen Organisation, die von der Türkei wie auch von der EU als «Terrororganisation» einge­stuft wird. Nach jetzt 22 Prozesstagen ist die Staatsanwaltschaft noch immer jeden Beweis dafür schuldig geblieben.

Um die Behauptung, dass eine seit Jahrzehnten ausschließlich in Deutschland lebende und nur hier politisch tätige Frau Teil des militanten Kampfes in der Türkei sei, nicht von vorne­herein als blanken Unsinn erscheinen zu lassen, bemüht die Staatsanwaltschaft eine fragwürdige Hilfskonstruktion. Demnach ist die migran­tische Selbstorganisation «Anatolische Föderation» ein wichtiger Bestandteil der «Auslandsorganisation», einer so ganannten «Rückfront», der DHKP-C. Latife, die 2012 in einer knappen Abstimmung zur Vorsitzenden der «Anatolischen Föderation» gewählt wurde, weil sie innerhalb des Vereins als entschlossene Anwältin sozialer und familiärer Interessen der Migrant*innen bekannt war, ist in der Logik der Anklage deshalb quasi automa­tisch eine Funktionärin der 1994 aus der Dev-Sol hervor­ge­gan­genen DHKP-C.

Die meiste Zeit der Beweisaufnahme durch den 5.Senat des OLG ging daher auch für eine Beweisführung zum Charakter der DHKP-C und zu ihren angeb­lichen Strukturen in Europa drauf, die mithilfe einer auf politische Weisung hin vom BKA geführten und laufend aktua­li­sierten so genannten «Strukturakte» belegt werden sollen. In repete­tiven Aussagen bestä­tigten so immer wieder Beamt*innen von BKA und LKA, dass sie die in das Verfahren einge­führten Teile der «Strukturakte» auch tatsächlich verfasst hatten. Zu Latife und zu ihren tatsäch­lichen Tätigkeiten und Aktivitäten war während der bishe­rigen Prozesstage hingegen kaum etwas Handfestes zu hören oder zu sehen. Stattdessen wurde Beobachter*innen eine fast unvor­stellbare Kumpanei deutscher und türki­scher Sicherheitsbehörden und eine unkri­tische Verwendung sehr fragwür­diger «Erkenntnisse» vorge­führt, mit denen die allen deutschen DHKP-C-Verfahren zugrun­de­lie­gende «Strukturakte» gefüttert wird.

In der Akte finden sich beispiels­weise Aussagen eines BND-Geheimdienstlers wie Alaattin Ateş, der es zeitweise zum «Deutschland-Verantwortlichen» der DHKP-C brachte und der verdächtigt wird, auch für den türki­schen Geheimdienst MIT tätig gewesen zu sein. Seine, auf ein Blatt Papier gekrit­zelte «Struktur» der DHKP-C ist bis heute eine wichtige Grundlage der verschie­denen Anklagen gegen angeb­liche Mitglieder der DHKP-C. Ebenso werden haufen­weise «Erkenntnisse» wieder­gekaut, die BKA und LKAs aus dem Internet, aus Publikationen oder, schlimmer noch: aus türki­schen Ermittlungsakten, abgeschrieben haben – ungeprüft und ohne jede kritische politische Bewertung der Situation in der Türkei. So wird selbst das Gefängnis-Massaker an Gefangenen im Dezember 2000 analog zur offizi­ellen türki­schen Darstellung als «Niederschlagung eines Aufstands» geführt.

Informationen, die diesen «Erkenntnissen» entge­gen­stehen könnten, wie sie zum Beispiel in den so genannten «Ergenekon»-Ermittlungen zum «tiefen Staat» in der Türkei ans Tageslicht kamen, werden schlicht ignoriert oder gleich ganz mit nicht erteilten Aussagegenehmigungen für die Beamt*innen ausge­blendet. Selbst das Bundeskanzleramt ist sich nicht zu schade, mit «Geheimnisverrat» zu drohen, wenn die Verbindungen zwischen deutschem und türki­schem Geheimdienst thema­ti­siert werden könnten. Doch das betrifft nicht nur offen­sicht­liche Angelegenheiten der Geheimdienste. Auch die regel­mä­ßigen «Konsultationen» der Sicherheitsbehörden, die teilweise in merkwür­diger zeitlicher Nähe zu anschlie­ßenden Razzien und Inhaftierungen in Deutschland standen, dürfen nicht angesprochen werden, obwohl sie durchaus ein Licht auf die Umstände deutscher Ermittlungen werfen könnten – auch die Verhaftung von Latife erfolgte unmit­telbar nach einer solchen «Konsultation» auf dem Höhepunkt des «Gezi-Aufstandes» in der Türkei.

Diese ganz spezielle «Freundschaft» deutscher und türki­scher Behörden wird um jeden Preis geschützt. Wie die Türkei sie nutzt, ist im Krieg der türki­schen Armee gegen die kurdische Bevölkerung aktuell in Echtzeit zu beobachten, z.B. wenn Bundesinnenminister De Maiziére einfordert, die «übermäßige» Kritik an der Türkei müsse nun endlich aufhören. Auch der 5.Senat des Düsseldorfer OLG unter dem Vorsitzenden Richter Schreiber tut seinen Teil dazu, etwa, indem er sämtliche Versuche der Verteidigung, politische Hintergründe und Entwicklungen in den Prozess einzu­führen, torpe­diert. Haften bleibt deshalb lediglich die politische Beweisführung der Generalstaatswanwalt – politische Erwiderungen wurden bislang unmöglich gemacht. Latifes tatsäch­liche Arbeit bleibt so hinter einem Vorhang aus staat­licher Verschwörungstheorie fast unsichtbar.

Dabei hat sich der Staat alle Mühe gegeben. Am Auto angebrachte Peilsender, eine umfas­sende Telekommunikationsüberwachung von Dezember 2012 bis zum Juni 2013, die auch Gesprächsinhalte erfasste, und schließlich Durchsuchungen von Wohnung, Kleingarten und Vereinslokal erbrachten jedoch keinerlei Belege für illegale Tätigkeiten unserer Freundin. Mit den in den Prozess einge­brachten Beweismitteln wird deshalb versucht, die Arbeit Latifes auf einen einzigen Teilaspekt ihres umfäng­lichen politi­schen Lebens zu beschränken, wozu Bücher, Broschüren, DVDs oder die Teilnahme an legalen Veranstaltungen heran­ge­zogen werden, sofern sie sich mit der Arbeit für politische Gefangene oder mit Entwicklungen des Widerstands in der Türkei beschäf­tigten. Alles andere bleibt ausgeblendet.

Das ist nicht nur juris­tisch schwach. Es ist auch menschlich und politisch unwürdig, wenn ein politi­scher Mensch auf einen derart kleinen Ausschnitt seines Engagements reduziert wird. Latifes unersetz­liche Arbeit für Frauen, Migrant*innen oder in antifa­schis­ti­schen Strukturen in Wuppertal und Umgebung erscheinen in der Konstruktion der Generalstaatsanwalt lediglich als Beiwerk einer angeb­lichen «terro­ris­ti­schen Tätigkeit». Die Erzählung der Anklage ist bereit, ein wider­stän­diges Leben auf einen lediglich behaup­teten Kern zu reduzieren, der es ihr ermög­lichten soll, einen kriti­schen Menschen zu brechen. Inwieweit dies aus deutschem Eigeninteresse oder «nur» der türki­schen Regierung zuliebe geschieht, bleibt unklar. Die Parallelen zur Türkei, die derzeit ausnahmslos alle Kritiker der AKP-Regierung als «Terroristen» verfolgt, sind jeden­falls unübersehbar.

Um dieser paranoiden und wahnhaften Erzählung der Staatsanwaltschaft endlich etwas entge­gen­zu­setzen, hat Latife sich entschlossen, am 28.1. eine eigene Erklärung zu den Vorwürfen abzugeben. Am für nächsten Donnerstag angesetzten 23.Prozesstag wird sie damit versuchen, sich ihr politi­sches Leben zurück­zu­holen. Es wäre schön, wenn viele sie dabei unter­stützen würden.