Mit der Begründung zur Zurückweisung des Antrags auf Einstellung des Verfahrens fügt sich der 5.Senat am OLG Düsseldorf ohne jeden Widerspruch in die Rolle des zum Erfüllungsgehilfen degradierten Gerichts.
Am 23. Verhandlungstag, am 28. Januar 2016, beantragte die Verteidigung im Vorfeld des ersten Teils einer persönlichen Erklärung Latifes erneut die Einstellung, bzw. die Aussetzung des Verfahrens gegen unsere Freundin. Hierzu veröffentlichte sie im Nachgang auch eine Pressemitteilung. Grundlage des Einstellungsantrags waren begründete Zweifel an der Gültigkeit der durch das Bundesministerium für Justiz zuletzt im Jahr 2014 erneuerten «Verfolgungsermächtigung». Diese versetzt die Behörden überhaupt erst in die Lage, bzw. weist sie an, Menschen bspw. wegen einer angeblichen «Mitgliedschaft in der DHKP-C» zu «verfolgen».
Der 5. Strafsenat in Düsseldorf unter dem Vorsitzenden Richter Frank Schreiber wies diesen Antrag der Verteidigung am 25. Verhandlungstag erwartungsgemäß zurück. Doch auch wenn dem Antrag kein Erfolg auf prozessualer Ebene beschieden war, kann die Begründung der Zurückweisung als politischer Erfolg der Anwälte gewertet werden, bestätigt das Gericht doch in der Begründung, dass es sich beim Prozess gegen Latife um ein Verfahren handelt, dass aus Gründen der politischen Opportunität geführt wird.
Nach formaljuristischen Ausführungen, nach denen der Senat nicht befugt ist, selber die Grundlage der Verfolgungsermächtigung zu prüfen, (was von den Anwälten auch gar nicht beantragt worden war, sie forderten vielmehr eine erneute Überprüfung durch das Bundesministerium und eine vorläufige Aussetzung des Prozesses), geht das Gericht – wenn auch etwas verquer – auf den Charakter der Verfolgungsermächtigung als ein Instrument der Politik ein: «Zweck des Ermächtigungsvorbehalts ist es, die Möglichkeit einzuräumen, auf die Durchführung eines Strafprozesses zu verzichten, wenn dieses unverhältnismäßige außenpolitische Nachteile mit sich bringen würde; es geht somit darum, der Bundesrepublik Deutschland den notwendigen Spielraum zu geben, um ihre (…) außenpolitischen Interessen durch Verfolgung oder Nichtverfolgung der Beteiligten an ausländischen Vereinigungen steuern und unterstützen zu können. (…) Diese Regelung mag zwar den ohnehin beträchtlichen Spielraum der Exekutive erweitern, sie entspricht jedoch dem Primat der Exekutive im Bereich der Außenpolitik. (…) Sowohl die Rolle des Parlaments als Gesetzgebungsorgan als auch diejenige der rechtssprechenden Gewalt sind (…) eingeschränkt.»
Mit dieser Begründung machte der 5.Strafsenat deutlich, dass er sich als Werkzeug der Politik ansieht, und deren Vorgaben im Prozess auch umzusetzen gedenkt. Er ging sogar über die zitierte Begründung hinaus und wies Zweifel anderer Gerichte, etwa des OLG München, das eine gerichtliche Kontrolle der Verfolgungsermächtigung einfordert, ausdrücklich zurück. Damit hat Latife schriftlich, dass der Grund ihrer Anklage nicht in nachvollziehbaren strafbaren Handlungen zu suchen ist, sondern «außenpolitische Interessen der Bundesrepublik» Anlass ihres Verfahrens sind.
Wie fragwürdig diese rechtliche Basis ist, hat z.B. Stephan Kuhn am Beispiel der PKK einerseits und der PYD andererseits aufgeschrieben («Die Welt als Vorfeld» bei strafverteidigervereinigungen.org): «(…) Die Unterstützung welcher Vereinigung nun bestraft wird, richtet sich nicht mehr nach einer am Legalitätsprinzip ausgerichteten Prüfung des Tatbestandes, sondern folgt einer politischen Entscheidung. Die strafrechtliche Verfolgung bspw. der Unterstützung der türkisch-kurdischen PKK einerseits, andererseits die Nichtverfolgung der Unterstützung der syrisch-kurdischen PYD mag nachvollziehbare außenpolitische Gründe haben; rechtlich – insbesondere tatbestandsimmanent – begründbar ist sie nicht. Ist die Bestimmung von strafrechtlich relevantem Verhalten aber nicht mehr anhand der Unrechtstypisierung durch den Tatbestand zu leisten, sondern nur mehr durch Rückgriff auf ministerielle Entscheidungen, so wird in doppelter Hinsicht gegen das Gewaltenteilungsprinzip verstoßen: Einerseits, indem es der Gesetzgeber der Exekutive überlässt, strafbares Verhalten zu bestimmen, andererseits indem es Gerichte zu Erfüllungsgehilfen politischer Entscheidungen degradiert.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.