Soli-Kundgebung für Latife

Der Tag, an dem ein Prozess, der unsere Arbeit zwanzig Monate lang bestimmt hatte, vorläufig zuende gehen sollte, begann mit einer Kundgebung am OLG in Düsseldorf bevor das Urteil gegen unsere Freundin Latife verkündet wurde. Ungeachtet der kurzfristigen Verlegung der Urteilsverkündung ins „Mini-Stammheim“ am Kapellweg, blieb es bei der angekündigten Kundgebung vor dem Hauptgebäude des Oberlandesgerichts, in dem die meisten der über 50 Verhandlungstage stattgefunden hatten.  Wir waren sehr erfreut, dass wir trotz der frühen Uhrzeit ca. 75 Menschen begrüßen konnten. Die Teilnehmenden repräsentierten das politische Tun unserer Genossin: Ein breites Spektrum von Freunden und Freundinnen aus verschiedensten Zusammenhängen hatte sich an der Cecilienallee versammelt. Deutsche, türkische und kurdische AktivistInnen, unorganisierte Linke und Menschen aus Parteistrukturen ließen es sich nicht nehmen, Latife zu ihrem vorerst letzten Prozesstag zu begleiten.

In kurzen Redebeiträgen wurde ein Großteil der Themen behandelt, die im Verfahren eine Rolle gespielt hatten. Es ging unter anderem um den besonders repressiven Umgang mit politisch tätigen MigrantInnen in Deutschland, um die deutsch-türkische Kooperation der Sicherheitsbehörden und die Verschärfung der politischen Strafverfolgung durch die Ausweitung der Paragraphen 129a und 129b und den neuen Paragraph 114, der zukünftig bei so genanntem Widerstand gegen PolizistInnen zwingend mindestens eine dreimonatige Haftstrafe vorsieht. Mehrfach wurde dazu aufgefordert, der weiteren Kriminalisierung politischer Arbeit gemeinsam etwas entgegenzusetzen, ungeachtet möglicher Differenzen in anderen Fragen.

Latife selber betonte in ihrem Redebeitrag, dass sie ihre antifaschistische Arbeit auch in Zukunft fortsetzen würde und dass sie ungebrochen aus dem Verfahren gehe, egal wie das Urteil ausfalle. Die wahren Täter seien die Herrschenden in Ankara und diejenigen, die sie hier unterstützten, um Menschen mundtot zu machen. Latife zeigte sich darüber empört, dass den NSU unterstützendende Organisationen wie die NPD nicht verboten würden, diejenigen aber, die, wie die Anatolische Föderation, schon früh auf das Morden der Nazis aufmerksam gemacht hatten, kriminalisiert würden. Sie bedankte sich für die gezeigte Solidarität und bei ihren Anwälten für die große Unterstützung. Roland Meister, einer der beiden Anwälte, sprach zur Kundgebung über die konkrete Anwendung der Paragraphen 129a und b, deren Wesen es sei, emanzipative linke Strukturen zu verfolgen und zu zerschlagen. Er betonte in seinem Beitrag nochmals, dass es sich bei 129b-Prozessen um explizite politische Strafverfahren auf Weisung aus dem Kanzleramt handele. Frau Merkel könne auch dieses Verfahren jederzeit durch Rücknahme der Verfolgungsermächtigung stoppen, auch noch um „fünf Minuten vor Zwei“ – für 14 Uhr war die Urteilsverkündung am Kapellweg angesetzt.