Termine auf der Zielgerade

Die Beweisaufnahme im Verfahren gegen unsere Freundin Latife ist noch nicht geschlossen. Dennoch gehen wir davon aus, dass sich der §129b-Prozess inzwischen auf der Zielgeraden befindet – ohne deren Länge schon genau absehen zu können. Deshalb können wir auch noch immer nicht vorhersagen, wann es zu den Plädoyers und wann es zu einem Urteil kommt.

Trotzdem haben wir inzwischen zwei Termine festgezurrt, an denen wir die Öffentlichkeit für diesen ungeheuerlichen Prozess suchen. Also, schonmal zum Vormerken, ausführliche Infos folgen in den nächsten Tagen:

Diskussionsveranstaltung im zakk, Fichtenstraße 40, Düsseldorf
Dienstag 07.02.2016, Beginn 19:00 Uhr

§129b: Ein Werkzeug deutsch-türkischer Repression
Zum Abschluss des Verfahrens gegen unsere Genossin Latife

Mehr als in anderen europäischen Ländern kooperieren die Sicherheitsbehörden in Deutschland mit dem türkischen Repressionsapparat. Neben einem intensiven Austausch von geheimdienstlichen Erkenntnissen kommt es auch immer wieder zu Verfahren gegen linke, in der Bundesrepublik lebende TürkInnen und KurdInnen. Die zunehmend antidemokratische Politik der AKP-Regierung hat daran nichts geändert – im Gegenteil.

Opfer dieser Zusammenarbeit werden immer wieder migrantische FreundInnen, KollegInnen und Nachbarn, die sich politisch in Deutschland betätigen. So wie Latife, die seit dreißig Jahren in Deutschland lebt, in antirassistische und antifaschistische Strukturen eingebunden ist, Geflüchteten bei ihren Asylverfahren hilft und sich in der Frauen- und Familienarbeit engagiert.

Der §129b-Prozess gegen die  Wuppertalerin vor dem OLG Düsseldorf geht in diesen Wochen zuende. Eine mögliche Verurteilung von Latife bedeutet nicht nur eine existenzielle Bedrohung für unsere Freundin, sie würde die Anwendbarkeit der Paragraphen 129a und 129b über das bisher bekannte Maß hinaus ausweiten und für alle in Deutschland aktiven Gruppen und Initiativen eine elementare Bedrohung darstellen. Denn über ihren Vorsitz in einem legalen migrantischen Verein hinaus liegt gegen Latife nichts vor. Dennoch ist sie mit dem Vorwurf der Terrorunterstützung konfrontriert.

Während die Öffentlichkeit über Fußfesseln und Vorbeugehaft diskutiert, wird mit laufenden Verfahren in Düsseldorf sowie in München gegen aktive MigrantInnen beinahe unbemerkt das schon lange bestehende brutalste Mittel staatlicher Repression – die Paragraphen 129a und 129b – weiter verschärft. Zu diesem Zweck scheuen die deutschen Behörden nicht vor einer intensiven Zusammenarbeit mit dem türkischen Geheimdienst und der türkischen Polizei zurück.

Zu der Diskussionsveranstaltung haben wir Latife  und andere von Repression betroffene Menschen sowie linke AnwältInnen eingeladen. Unter anderem erwarten wir eine Anwältin des Halkin Hukuk Bürosu aus der Türkei und die an den Prozessen in Düsseldorf und München beteiligten Anwälte Roland Meister und Yener Sözen.

Kundgebung am OLG Düsseldorf in der Cecilienallee
Donnerstag, 16.02.206, 11:00 Uhr

Am 16. Februar kommt es am OLG zum dann bereits 56. Verhandlungstag. Eventuell ist es der Tag, an dem Latifes Verteidiger ihren Schlussvortrag halten. Mit der Kundgebung, zu der ein breites Bündnis aufrufen wird, soll die gemeinsame Forderung zur Abschaffung der Gesinnungsparagraphen 129a und 129b auf die Straße getragen werden.

Ein Aufruf folgt in den nächsten Tagen.

12.1., ADA: Solidarität mit Latife!

Am Donnerstag, den 12. Januar informieren wir aus unserer Sicht über anderthalb Jahre «Terrorverfahren» gegen unsere Freundin Latife und über die Konsequenzen einer drohenden Ausweitung der Anwendbarkeit der Paragraphen 129a und 129b für jeden politisch aktiven Menschen. Zum erwarteten Ende der Beweisaufnahme wollen wir an diesem Abend in kleinerem Rahmen ein Zwischenfazit ziehen und zum Besuch der letzten Verhandlungstage des zumindest finanziell existenziell bedrohlichen Prozesses motivieren, der schlimmstenfalls aber auch mit mehreren Jahren Haft für Latife enden kann.

Der Diskussionsabend beginnt um 20:00 Uhr im ADA in in Wuppertal-Elberfeld.

Das Beispiel des 129b-Verfahrens gegen Latife zeigt uns, welches Risiko jedes politische Engagement haben kann – nicht nur für MigrantInnen. Die mit diesem Prozess beabsichtigte Ausweitung der 129er-Paragraphen und die damit einhergehenden und im Prozess bekanntgewordenen Fahndungsmaßnahmen greifen ggf. umfassend in unser Leben ein. Wen Kriminalisierung und Repression bedrohen, ist eine willkürliche und zu jeder Zeit erweiterbare Entscheidung von Politik und Justiz und zunehmend auch der Polizei – siehe u.a. die geplante Verschärfung des Versammlungsrechts. Die Einschränkungen politischer Tätigkeit und die Ausweitung der Repressionskeule des Paragraphen 129 fallen dabei nicht zufällig in eine Zeit allgemeiner gesellschaftlicher Verschärfung und Polarisierung. Sie können jederzeit dazu führen, dass berechtigter Widerstand und oppositionelle Organisation unmöglich gemacht werden können. Bezüglich des §129b (Unterstützung bzw. Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung) ist dies bereits jetzt zu sehen: Einerseits bleibt vielen türkisch-kurdischen Oppositionellen keine andere Wahl, als das Land zu verlassen und in ein Exil nach Europa zu gehen, andererseits wird ihr politisches Engagement gegen das Regime auch hier mithilfe willfähriger PolitikerInnen und JuristInnen kaum weniger hart verfolgt als in der Türkei. Nächsten Donnerstag wollen wir darüber sprechen, wie wir auf diese Entwicklungen reagieren können.

Es treibt uns jedoch auch noch etwas anderes um: Das Verfahren gegen Latife steht vor dem Abschluss. Mit der Solidaritätsveranstaltung möchten wir nochmal dazu motivieren, sie an den letzten Prozesstagen nach Düsseldorf zu begleiten. Häufig finden sich nur wenige Menschen an den Verhandlungstagen ein. Das ist nachvollziehbar, es ist signalisiert dem Gericht aber jedes Mal, dass das Interesse an Latife und dem Prozess gering zu sein scheint. Wir wissen, dass das nicht stimmt. Es wäre jedoch wünschenswert und ein wichtiges politisches Signal, wenn sich das an den letzten Prozesstagen auch mit einigen BesucherInnen mehr im Gerichtssaal ausdrücken würde.

Derzeit stehen zwei weitere Verhandlungstermine fest:
Fortgesetzt wird zunächst am Mittwoch, den 11.Januar ab 14:00 Uhr im Gebäude am Kapellweg (Zeugenvernehmung einer Bundesanwältin) und am Donnerstag, den 19.Januar ab 10:00 Uhr im Hauptgebäude an der Cecilienallee. Für diesen Tag rechnen wir mglw. auch schon mit dem Plädoyer der Generalstaatsanwaltschaft, abhängig vom Verlauf des 52.Verhandlungstages am nächsten Mittwoch.

Solidarität mit Latife! Veranstaltung
ADA, Wiesenstraße 6, Wuppertal-Elberfeld, Donnerstag, 12.1. 20:00 Uhr
Aktuelle Infos zum Prozess: Kampf um die «Strukturakte»