Latife muss in Haft

Vor wenigen Tagen kam der knappe Bescheid des Bundesgerichtshofs (BGH): Die von ihren Anwälten gut begründete Revision zum Hafturteil vom 16. Februar 2017 wurde zurückgewiesen. Damit steht jetzt fest, dass Latife die angesichts der Vorwürfe ungeheuerliche Haftstrafe von drei Jahren und drei Monaten wohl antreten muss.

Wir werden die Zeit im Knast natürlich ebenso solidarisch begeleiten wie den ganzen Prozess – auch mit der Fortsetzung unserer Öffentlichkeitsarbeit.

Nachdem die Entscheidung aus Karlsruhe eingegangen ist, möchten wir durch eine, gemeinsam mit Latifes Rechtsanwälten verfasste Pressemitteilung zunächst nochmals auf ihren Fall und die damit verbundenen höchst gefährlichen Verschärfungen der repressiven Gesetze in Deutschland aufmerksam machen.

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Pressemitteilung der Anwälte und Freundinnen und Freunde Latife Cenan-Adigüzel
Zur Ablehnung des Revisionsantrags durch den Bundesgerichtshof (BGH)

Essen, Remscheid, Wuppertal, den 18. Juni 2018

BGH bestätigt Urteil gegen Latife Cenan-Adigüzel:
Schwerer Angriff auf demokratische Rechte und Grundfreiheiten

Vor ziemlich genau sechzehn Monaten, am 16.2.2017, wurde im Paragraph 129 a/b-Verfahren gegen unsere Mandantin und Freundin Latife Cenan-Adigüzel ein aus unserer Sicht skandalöses Urteil seitens des Staatsschutzsenats des Oberlandes-gerichts Düsseldorf (Aktenzeichen: III – 5 StS 1/15 – OLG Düsseldorf) wegen angeblicher „Mitgliedschaft“ in einer „ausländischen terroristischen Vereinigung“ (gemeint ist die türkische DHKP-C /Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front) gefällt. In dem mehr als anderthalb Jahre dauernden Verfahren war der Haftbefehl nach einigen Monaten außer Vollzug gesetzt worden. Latife wurde zu drei Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. Über ein Jahr später hat der BGH nun die von uns eingelegte Revision verworfen. (Aktenzeichen: BGH 3 StR 661/17) Das existenzbedrohende Hafturteil gegen die seit Jahren antifaschistisch, antirassistisch und migrationspolitisch aktive Mutter zweier Töchter und Altenbetreuerin aus Wuppertal hat somit jetzt Rechtskraft und eine baldige Ladung zum Haftantritt ist zu erwarten.

Nachdem der BGH das Urteil des OLG Düsseldorf bestätigt hat, kommt der Ausdehnung der Kriminalisierung und Diskriminierung progressiver, antifaschistischer und revolutionärer Personen und Organisationen auch eine Signalwirkung zu – sie reiht sich in die zu beobachtende Rechtsentwicklung in Deutschland ein. Mit dem Urteil erfolgt eine Erweiterung des Verbots der DHKP-C und deren Kriminalisierung als sogenannte „terroristische Organisation im Ausland“ auf die migrantische Organisation „Anatolische Föderation“. Damit soll eine selbstorganisierte migrantische Vereinigung getroffen werden, die insbesondere gegen Rassismus und für gleiche Rechte für Migranten in Deutschland tätig ist, die Solidarität mit dem Widerstand in der Türkei gegen die dortigen repressiven Regime, wie aktuell das Erdogan-Regime, entwickelt und ausgeprägt antifaschistisch tätig ist. Es ist kein Zufall, dass Latife und die „Anatolische Föderation“ bereits 2006 auf den rechtsradikalen Hintergrund und eine Verstrickung von Teilen der deutschen Polizei und Verfassungsschutzämter bei den Morden des „NSU“ hinwiesen – fünf Jahre vor dessen Selbstenttarnung.

Fragwürdig konstruierte „Mitgliedschaft“ illegalisiert politisches Handeln

Im Hinblick auf das Urteil ist der von uns in der damaligen Pressemitteilung gemachten Aussage auch heute wenig hinzuzufügen: Das Urteil gegen Latife ist juristisch wie menschlich vollkommen inakzeptabel. Unsere Mandantin war – wie im Verfahren bewiesen wurde – in demokratischer Wahl mit knapper Mehrheit zur Vorsitzenden der „Anatolischen Föderation“ gewählt worden. Der Vorwurf, Latife habe sich als Vorsitzende dieses bis heute nicht verbotenen migrantischen Verbands „pauschal der Mitgliedschaft in der DHKP-C schuldig gemacht“, konnte auch durch monatelange Ermittlungen und in einem über anderthalb jährigen Verfahren nicht belegt werden. Diese Tatsache wurde vom Senat in der Urteilsbegründung selber eingestanden. Grundlage des Urteils war lediglich die durch das Gericht bestrafte politische Gesinnung von Latife, bzw. eine durch das Gericht unterstellte angebliche innere Übereinstimmung mit den Zielen der DHKP-C. So heißt es im Urteil: „Obwohl der Senat keine unmittelbaren Beweise für konkrete Vorgaben zur Programmgestaltung bzw. für Aktionen der Anatolischen Föderation durch – andere – Führungskader der DHKP-C gefunden hat, ist der Senat davon überzeugt, dass sich die Angeklagte in die DHKP-C eingebunden hat.“

Erst durch diese Konstruktion einer Mitgliedschaft aus innerer Übereinstimmung, die der bisherigen Rechtsprechung zuwiderläuft, war es dem 5. Senat unter dem Vorsitzenden Richter Schreiber möglich, Latife für völlig legale politische Handlungen zu verurteilen. Eine strafbare Handlung oder ein „Eintritt“ in die DHKP-C konnte Latife nicht nachgewiesen werden, obwohl gegen sie eine alle Bereiche ihres Lebens betreffende Überwachung und Bespitzelung durchgeführt wurde. Die Teilnahme an Informations- und Gedenkveranstaltungen, die Durchführung mehrerer Konzerte der antifaschistischen Band „Grup Yorum“, der Verkauf von Essen bei Festivals, die Arbeit mit migrantischen Familien und Jugendlichen oder die Teilnahme an angemeldeten Demonstrationen, (beispielsweise während der „Gezi“-Solidarität im Sommer 2013 oder anlässlich des 20. Jahrestags des Solinger Brandanschlags im Mai 2013), wurden nur durch die fragwürdig konstruierte „Mitgliedschaft“ zu illegalisierten Handlungen im Auftrag einer „terroristischen Vereinigung“.

Latife hatte erklärt, sie habe ausschließlich ihre demokratischen Rechte wahrgenommen und alles, was sie getan habe, habe sie aus eigenem Entschluss und Überzeugung getan; nichts sei in jemandes Auftrag oder auf Verlangen einer übergeordneten Organisation geschehen. Ihre Erklärung blieb bei der Urteilsfindung komplett unberücksichtigt. Der logische Widerspruch in der Urteilsbegründung blieb unaufgelöst: Einerseits sei die Wuppertalerin selbst erklärt und aus eigenem Entschluss einer „terroristischen Vereinigung“ beigetreten – andererseits beruhe aber ihr gesamtes politisches Handeln nicht auf „eigenem Entschluss“, sondern geschehe auf Weisung einer Organisation.

Ein Merkmal diktatorischer Regimes

Bis zum Urteil gegen unsere Mandantin bedurfte es für die Feststellung einer „Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung“ nach Einschätzung des BGH rechtlich hoher Anforderungen an die Beweisführung. Dies umso mehr, wenn sich Beschuldigte gar nicht in dem Land aufgehalten hatten, in dem die „terroristische Vereinigung“ aktiv ist. Bei Latife Cenan-Adigüzel ist das der Fall: Seit über dreißig Jahren in Deutschland lebend, besuchte sie die Türkei nur im Urlaub. Das OLG Düsseldorf hat diese hohen Anforderungen an den Nachweis einer Mitgliedschaft mit seinem Urteil negiert und massiv in verfassungsrechtlich garantierte Rechte, wie das Recht der Vereinigungs- und Meinungsfreiheit, eingegriffen. Er hat damit eine gefährliche Ausweitung der Anwendbarkeit der Paragraphen 129 a/b StGB geschaffen.

Wenn eine „Eingliederung“ in eine als „terroristisch“ eingestufte Gruppe keine konkret nachweisbaren Schritte mehr voraussetzt, sondern alleine die legale und immer öffentliche Beteiligung an Aktivitäten eines nicht verbotenen Verbands ausreicht, werden fundamentale und bislang geltende rechtsstaatliche Prinzipien außer Kraft gesetzt. Wenn legale Handlungen durch eine unterstellte innere Übereinstimmung mit den Zielen einer Organisation willkürlich und nachträglich zu illegalen Taten gemacht werden können, wird es unmöglich, in Betrachtung der Gesetzeslage zu handeln. Politische Betätigung ist dann ständig davon bedroht, mit dem vollen Spektrum der – im Zuge des „Kampfs gegen den Terror“ weiter ausgebauten – staatlichen Überwachungs und Repressionsmaßnahmen konfrontiert zu werden, weil eine „innere Übereinstimmung“ ausreicht, eine umfassende „Terror-Ermittlung“ gegen politisch aktive Menschen und ihr Umfeld anzuordnen.

In Kombination mit der Einführung der „drohenden Gefahr“ und des Gefährdungsbegriffs durch neue Polizeigesetze, die weitreichende polizeiliche Maßnahmen bereits im Vorfeld erlauben, ohne dass eine Ermittlung wegen strafbarer Handlungen vorliegt, ist die durch das Urteil gegen Latife Cenan-Adigüzel erfolgte Ausweitung der Anwendbarkeit der Paragraphen 129 a+b ein beängstigender Schritt in eine vollständige Überwachung und Kontrolle der Gesellschaft. Zukünftig können somit erste erhebliche Maßnahmen der Überwachung und Kontrolle von „Gefährdern“ zunächst durch die Polizei angeordnet und dann von Staatsanwaltschaften immer häufiger in ausgedehnte „Terrorismusermittlungen“ überführt werden. Die durch eine nachträgliche Strafandrohung geschaffene ständige Verunsicherung, sich der Legalität eigenen Handelns nie sicher sein zu können, ist ein ein Merkmal diktatorischer Regimes. Im Kern zielt dies auf die Einschüchterung aller oppositioneller Kräfte ab.

Stigmatisierung als „Terroristin“

Was für politisch engagierte Menschen auf dem Spiel steht, wird an den persönlichen Folgen des nun rechtskräftigen Urteils für unsere Mandantin deutlich. In erster Linie ist es die drohende Haftstrafe, die eine mitten im Berufsleben stehende zweifache Mutter aus ihrem normalen Leben zwischen der Tätigkeit im Kiosk ihres Mannes und als Altenpflegerin reißen wird. Ihre Haft wird dabei nicht nur für Latife bedeutsame Folgen haben: Auch ihre Töchter, ihr an einer Herzerkrankung leidender Ehemann und ihre Patient*innen müssen für eine lange Zeit ohne ihre Unterstützung auskommen.

Doch eine Verurteilung als „Terroristin“ führt noch zu wesentlich mehr Einschränkungen als die zunächst anzutretende Haftstrafe. Aufgrund der jetzt eingetretenen Rechtskraft des Urteils wird unsere Mandantin und Freundin zukünftig international als „Terrroristin“ in den entsprechenden Listen geführt – mit allen denkbaren Schikanen durch die Behörden und mit allen möglichen Beschränkungen der Freiheit zur Ein- und Ausreise, etwa wenn sie verreisen will. Darüberhinaus drohen Latife auch ausländerrechtliche Konsequenzen, wie der Verlust ihrer Niederlassungserlaubnis; es können auch Aufenthaltsgebote gegen sie ausgesprochen werden, so dass sie Besuche in einer anderen Stadt bei den Behörden anmelden muss. Auch die Weiterausübung ihrer beruflichen Tätigkeit als Betreuerin alter und kranker Menschen ist zukünftig infrage gestellt.

Gleichzeitig zeigt der Fall unserer Mandantin auch, was eine Ausweitung der Anwendbarkeit der Paragraphen 129 a+b auf Menschen bedeutet, die nicht „Berufsrevolutionäre“ sind, sondern die ein Leben zwischen Familie und Beruf führen. Ein langer Prozess wie der gegen Latife, kostet einen hohen sechsstelligen Betrag. Nach einer Verurteilung sind diese Kosten vom Angeklagten zu tragen. Was bei klandestin lebenden „Berufsrevolutionären“ dank Vorbereitung meist mit einer Übernahme der Kosten durch den Staat endet, bedeutet für Menschen wie Latife den vollständigen finanziellen Ruin. Die gegen immer mehr Menschen gerichtete Drohung eines Paragraph 129-Verfahrens verschafft dem Staat so über die Prozesskostenordnung indirekt ein zusätzliches Einschüchterungsszenario gegen alle, die sich politisch betätigen.

Verfassungsklage beabsichtigt

Die Tatsache, dass all dies von unserer Mandantin und Freundin zu tragen sein wird, weil sie sich stets solidarisch zeigte, Rassismus und Faschismus entgegenstellte, Demonstrationen organisierte oder selbstgemachte Börek bei Musikfestivals verkaufte, spricht nicht nur jedem Rechtsempfinden Hohn: Es lässt uns als Anwälte und Freund*innen auch nicht ruhen. In Absprache mit unserer Mandantin werden wir deshalb eine Verfassungsklage gegen das Urteil vorbereiten, weil es die Organisations- und Vereinigungsfreiheit fundamental infrage stellt. Wir werden auch nicht zögern, Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einzureichen, weil wir in dem Urteil eine Gefahr für die Meinungsfreiheit und die Freiheit zur politischen Betätigung sehen. Gerade vor dem Hintergund weiterer legislativer Verschärfungen wie den neuen Polizeigesetzen in verschiedenen Bundesländern, sehen wir es als unsere Pflicht an, die gleichzeitig stattfindende juristische Ausweitung der Repressionsonstrumente nicht unwidersprochen hinzunehmen. Es ist deshalb ermutigend, dass sich inzwischen gegen die Gesetzverschärfungen eine wachsende Bewegung für demokratische Rechte und Freiheiten entwickelt.

Latife wird sich nicht einschüchtern lassen und weiterhin ihre Stimme gegen Ungerechtigkeiten, Ausbeutung und Unterdrückung erheben – oder – wie es der türkische Dichter Nazim Hikmet formulierte:

Sich einem andern zu verdingen, damit soll Schluß, endgültig Schluß sein,
schafft ab die Knechtschaft des Menschen durch den Menschen!
Diese Einladung ist unser.
Leben! Wie ein Baum, einzeln und frei
und brüderlich wie ein Wald,
diese Sehnsucht ist unser!

Rechtsanwalt Roland Meister
Rechtsanwalt Yener Sözen
Freunde und Freundinnen Latifes

24.10.: Veranstaltung in Witten

Das skandalöse, harte Urteil gegen unsere Freundin Latife liegt nun fast ein dreiviertel Jahr zurück. Nach einer längeren Pause laden wir zusammen mit dem „Forum für Demokratie und Menschenrechte in der Türkei“ aus Witten nochmals zu einer Info-Veranstaltung ein, bei der wir auch über die zwischenzeitlich eingelegte Revision informieren werden.

Dienstag, 24.10.2017 Informations- und Diskussionsveranstaltung in Witten:
Repression gegen Linke aus der Türkei in Deutschland
(Zum Alten Fritz, Augustastraße 27, 19:00 Uhr)

Die staatliche Repression gegen Oppositionelle in der Türkei hat spätestens seit dem versuchten Militärputsch im Juli 2016 eine neue Qualität erreicht. Wenn Presseberichte und Aussagen von PolitikerInnen zugrunde gelegt werden, ist in der Folge dieser Entwicklung das deutsch-türkische Verhältnis auf einem Tiefpunkt. Die massenhaften Inhaftierungen, die auch JournalistInnen und Menschenrechtler mit deutschem Pass und im Urlaub befindliche Menschen aus Deutschland treffen, haben in Deutschland zu lauter Kritik geführt. Speziell die Inhaftierungen von Deniz Yücel, Meşale Tolu oder Peter Steudtner treffen bis heute regelmäßig auf großes öffentliches Interesse. Viele können deshalb kaum glauben, dass die Sicherheitsbehörden der beiden Länder noch immer ungebrochen sehr eng und vertrauensvoll zusammenarbeiten.

Denn tatsächlich verfolgen die deutschen Polizei- und Justizbehörden noch immer in Deutschland lebende linke Opposionelle im Auftrag ihrer türkischen Kollegen. Die Vorwürfe und Anklagen, mit denen aus der Türkei stammende Menschen von den deutschen Behörden verfolgt werden, stellen sich dabei häufig als ebenso absurd und irrational dar, wie die in der Öffentlichkeit kritisierten Terrorismusanklagen in der Türkei, mit denen u.a. die drei oben genannten konfrontiert sind. Die Verfahren, in denen meist konstruierte „Mitgliedschaften in einer ausländischen terroristischen Vereinigung“ nach §129b abgeurteilt werden, führen fast immer zu mehrjährigen Haftstrafen. Die verhandelten Vorwürfe bilden von Zeitschriftenverkauf über die Teilnahme an angemeldeten Demonstrationen bis zur Zubereitung von Böreks für Soli-Festivals das ganze Spektrum legaler politischer Arbeit in Deutschland ab.

Oft trifft es schon viele Jahre in Deutschland lebende MigrantInnen. So lebt auch Latife Cenan-Adigüzel bereits seit mehr dreißig Jahren in der Bundesrepublik. Sie wurde im Februar 2017 aufgrund ihrer Bereitschaft, den Vorsitz eines migrantischen Vereins zu übernehmen, zu drei Jahren und drei Monaten Haft wegen einer Mitgliedschaft in der DHKP-C verurteilt, die ihr auch durch die Staatsanwaltschaft während des Prozesses zu keinem Zeitpunkt nachgewiesen werden konnte. Zur Begründung des Vorwurfes wurde die ohnehin sehr unbestimmte Definition des §129b nochmals über jedes Maß ausgeweitet. Wenn das Urteil in der ausstehenden Revision Bestand haben sollte, stellt es eine wirkliche Bedrohung für alle politisch aktiven Menschen, speziell für in Deutschland lebende MigrantInnen dar.

Aktuell findet zudem eines der größten politischen Verfahren der Nachkriegszeit in München statt. Im gleichen Saal, in dem seit Jahren gegen den rechtsterroristischen NSU verhandelt wird, sind zehn Menschen wegen angeblicher Mitgliedschaft in der TKP/ML angeklagt. Auch ihnen drohen mehrjährige Haftstrafen. Im Gegensatz zu Latife Cenan-Adigüzel, die bis zur Revision auf freiem Fuß ist, befinden sich die in München Angeklagten inzwischen seit über zweieinhalb Jahren isoliert in U-Haft. Auch das Verfahren in München dehnt den Rahmen für die Strafverfolgung politisch engagierter MigrantInnen über den bisherigen aus, denn den Angeklagten wird die Mitgliedschaft in einer Organisation zur Last gelegt, die auf keiner deutschen oder europäischen „Terrorliste“ aufgeführt ist.

Entgegen der Behauptungen der türkischen Regierung, nach denen so genannte „PKK-Terroristen“ unbehelligt in Deutschland leben können, werden auch kurdische Menschen immer wieder wegen einer vorgeblichen Mitgliedschaft in der PKK angeklagt. Auch gegen KurdInnen werden §129b-Prozesse geführt, auch hier kommt es immer wieder zu langjähriger Haft. Am 4. September wurde das zunächst letzte Verfahren vor dem Kammergericht Berlin gegen Hıdır Yildirim eröffnet. Und der repressive Kurs gegen KurdInnen wird ebenfalls ausgeweitet – zuletzt wurde durch den Bundesinnenminister die Liste in Deutschland verbotener kurdischer Symbole erweitert.

Bei der Veranstaltung soll über die Verfahren, ihre Hintergründe und Folgen für die Angeklagten informiert werden. Latife Cenan-Adigüzel kann darüber als Betroffene aus erster Hand berichten, Yener Sözen war einer ihrer Anwälte und hat derzeit auch im Münchner Verfahren ein Mandat. „Latifes Freunde und Freundinnen“ haben fast das ganze Verfahren gegen Latife Cenan-Adigüzel vor dem Düsseldorfer OLG beobachtet.