Presse zum Urteil in Stuttgart IV

(Quelle: Stuttgarter Zeitung)

Terrorhelfer zu Haftstrafen verurteilt
Türkische Marxisten aus der Region Stuttgart

Von Oliver im Masche 28. Juli 2015

Zwar sind die vier Angeklagten nicht unmittelbar an Anschlägen der Terrororganisation DHKP-C in der Türkei beteiligt gewesen. Dennoch wurden sie am Dienstag am Oberlandsgericht zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.

Die Angeklagten hatten als Kader von Deutschland aus den bewaffneten Kampf der marxistisch-leninistischen Vereinigung unterstützt. Mehr als zehn Jahre lang waren sie aktiv und sammelten dabei unter anderem Spenden, verfassten Propagandamaterial und rekrutierten neue Mitglieder. Zwei der Männer waren dabei längere Zeit für die Region Stuttgart zuständig.

DHKP-C plant einen Umsturz in der Türkei

Verurteilt wurden die vier Angeklagten nun wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland. Die Revolutionäre Volksbefreiungsfront DHKP-C gilt bei den Ermittlern als hoch gefährliche Vereinigung: Die marxistisch-leninistische Vereinigung hat sich zum Ziel gesetzt, das politische System in der Türkei durch ein totalitäres zu ersetzen. Dabei schreckt sie nicht vor Gewalt zurück: Seit Ende der 1970er Jahre wurden in der Türkei mehrere Dutzend Menschen getötet. Ein zuvor in Deutschland agierender Führungsfunktionär verübte erst vorigen Februar einen Selbstmordanschlag auf die US-Botschaft in Ankara. Zuletzt bekannte sich die DHKP-C im Frühjahr zu einer Geiselnahme und Tötung eines Staatsanwalts in Istanbul und zu einem Anschlag auf das Polizeihauptquartier in der Millionenmetropole. In Europa soll die Terrorgruppe über ein weitverzweigtes Netz von Helfern verfügen, die Geld, Waffen, Sprengstoff und militärische Ausrüstung beschaffen.

Zu den Unterstützern zählten nach Ansicht der Richter auch die vier nun verurteilten Angeklagten, die im Sommer vor zwei Jahren verhaftet worden waren: Der 34-Jährige und der 41-Jährige waren dabei die Gebietsleiter für Süddeutschland und Stuttgart. Sie sammelten unter anderem jahrelang Geldspenden und organisierten Folklore-Konzerte, deren Erlöse an Komplizen in die Türkei flossen. Zudem führten sie Schulungs- und Propagandaveranstaltungen durch. Ein 44 Jahre alter Angeklagter erfüllte ähnliche Aufgaben in Hannover und Köln. Die 38 Jahre alte Frau war indes für die Öffentlichkeitsarbeit der Gruppierung zuständig. Sie war bereits jahrelang in den Niederlanden aktiv gewesen. Dort wurde sie im Jahr 2010 als „unerwünschte Person“ des Landes verwiesen. Danach war die in Heidelberg geborene Frau als Funktionärin für Hannover verantwortlich.

Weiterer DHKP-C-Prozess steht bevor

Alle vier Angeklagten haben in dem Prozess, der fast ein Jahr gedauert hat, geschwiegen. Sie weigerten sich sogar, Fragen zu ihren Biografien zu beantworten. An den 61 Verhandlungstagen wurden 50 Zeugen gehört. Die 60 000 Seiten Prozessunterlagen füllen mehr als 150 Stehordner.

In den nächsten Monaten soll ein weiterer DHKP-C-Prozess am Oberlandesgericht gegen einen 61 Jahre alten Mann beginnen: Er war vorigen Winter als Besucher des nun zu Ende gegangenen Prozesses gefasst worden. Möglicherweise war der Mann im Jahr 1991 an einem politisch motivierten Mord in der Türkei beteiligt.