Laufende §129b-Verfahren

Aus unserer vierseitigen Dokumentation zum Prozess in Düsseldorf. Das Infoblatt kann als pdf-Datei komplett hier angesehen und heruntergeladen werden.

Drecksarbeit für Erdogan
(aus: Prozessinformation – Sommer 2016)

Laufende Verfahren nach § 129b in Deutschland: Prozesse gegen angebliche Mitglieder der TKP/ML, der PKK und der DHKP-C in Düsseldorf, München, Stuttgart und Celle

Mitte Juni diesen Jahres begann vor dem OLG in München einer der größten politischen Prozesse der Nachkriegszeit in Deutschland. Angeklagt sind zehn in Europa lebende türkische KommunistInnen, denen Mitgliedschaft in der türkischen TKP/ML, einer marxistisch-leninistischen Partei, vorgeworfen wird. Diese taucht auf keiner Terrorliste der EU auf und ist nicht verboten. Gleichwohl waren die zehn Angeklagten – neun Männer und eine Frau – zu Prozessbeginn bereits seit vierzehn Monaten in U-Haft. Vier von ihnen lebten zuvor in anderen europäischen Staaten und wurden erst auf Betreiben der Bundesrepublik verhaftet und auf Grundlage des europäischen Auslieferungsabkommens an Deutschland überstellt.

2010 beschloss der BGH, dass die kurdische PKK auch in Deutschland als “terroristische Vereinigung” einzustufen sei; 2011 erteilte der Justizminister die Verfolgungsermäch-tigung.  Derzeit laufen vor dem OLG Düsseldorf, Celle und Stuttgart Verfahren gegen vier in Deutschland lebende Menschen kurdischer Abstammung, weil ihren Tätigkeiten für die kurdische PKK vorgeworfen werden; sieben weitere wurden bereits verurteilt, zuletzt erhielt ein Angeklagter in einem Prozess in Hamburg eine dreijährige Haftstrafe.

Seit Juni 2015 steht ebenfalls in Düsseldorf die Wuppertalerin Latife Cenan-Adigüzel vor Gericht; ihr wird vorgeworfen, als Vorsitzende der Anatolischen Föderation für die linke türkische DHKP-C tätig gewesen zu sein. Özgür Aslan, Sonnur Demiray, Yusuf Tas und Muzaffer Dogan, die wie Latife Ende Juni 2013 verhaftet worden waren, wurden in der Zwischenzeit vom OLG Stuttgart zu Haftstrafen zwischen viereinhalb und sechs Jahren verurteilt.

„Verfahren am Scheideweg“

Interview mit Yener Sözen, Rechtsanwalt von Latife und im Münchner TKP/ML-Prozess

Du hast neben dem Mandat von Latife auch ein Mandat im Münchner TKP/ML-Prozess. Gibt es Unterschiede?

Im Grunde laufen diese Verfahren nach dem gleichen Strickmuster. Nach der Erklärung des Bundesanwaltes handelt es sich in München um ein Pilotverfahren, da die TKP/ML weder in der BRD noch auf der EU Ebene verboten ist. Auch steht sie nirgendwo auf der so genannten Terrorliste. Sie versuchen zu beweisen, dass es sich bei der TKP/ML um eine ausländische terroristische Vereinigung handelt. Bisher gilt TKP/ML nur in der Türkei als solche und ist nur dort verboten.

In München sind zwanzig AnwältInnen involviert, das ist viel Sachverstand. Erhoffst du dir davon neue Impulse in der langen Auseinandersetzung um den § 129?

In der Tat erhoffen wir uns weitere Impulse. Wir haben KollegenInnen, die viel Ahnung in anderen juristischen Bereichen, wie z.B im Völkerrecht haben. Wir arbeiten arbeitsteilig in alle Richtungen und werden alle juristischen Möglichkeiten nutzen, um die Rechtswidrigkeit des § 129 zu beweisen.

In eurem Einstellungsantrag im Verfahren gegen Latife geht ihr auf die Lage in der Türkei nach dem versuchten Putsch ein. Erhofft ihr euch einen positiven Effekt für das Verfahren?

Das ist eine unserer Hoffnungen. In München sprach der Vorsitzender Richter von einem „Scheideweg im Verfahren”.

Hast du in deiner Zeit als Anwalt eine ähnlich absurde Beweisführung wie im Prozess gegen Latife schon einmal erlebt?

Bis dato nicht, aber in München ist die Beweisführung genauso…